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Wichtig: Welcher Prozessfinanzierer?

Zur effektiven Durchsetzung des eigenen Anspruchs gehört der richtige Prozessfinanzierer. Doch wie findet man den?

Der einfachste Weg geht – wie fast in allen Lebenslagen – heute über Google. Die Suchmaschine bietet dann neben Werbeanzeigen den Wikipedia Eintrag an (nicht geeignet), eine Plattform, wo man seinen Anspruch einstellen kann (unnötig) und einen von Mai 2022 recht aktuellen Überblick des Anwaltvereins. Die Unterteilung der dort gelisteten 18 Unternehmen ist nur bedingt hilfreich, aber immerhin kommt man über die dortigen Links einfach auf die entsprechenden Unternehmensseiten.

Offensichtlich ist, dass nicht jedes Unternehmen jeden Anspruch finanziert. Prozessfinanzierer sind wie folgt zu kategorisieren:

1. Internationale Finanzierer

Ansprüche unterhalb höherer Millionenwerte sind hier nicht gewollt, solche mit internationalem Bezug besser aufgehoben als bei kleineren Prozessfinanzierern. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Schuldner im Ausland sitzt und ein Urteil außerhalb von Deutschland (Europa) vollstreckt werden muss. Finanzierer dafür wären z.B. Omni Bridgeway (Amsterdam/Köln), Deminor (Brüssel/Hamburg) und Nivalion (Zürich/Frankfurt).

2. Nationale Finanzierer

Die zwei etablierten Finanzierer FORIS AG (Bonn) und Legial AG (München) finanzieren grundsätzlich alle Arten von Ansprüchen, die allerdings auch mindestens mehrere hunderttausend Euro betragen sollten. Die Internetauftritte geben Auskunft, in welchen Rechtsgebieten die Unternehmen Schwerpunkte setzen (Legial: u. a. Insolvenzrecht, FORIS: u. a. Erbrecht).

3. Spezialfinanzierer

Einige Firmen, des öfteren Legal Techs, haben sich auf Nischen spezialisiert, wie z.B. die Firma Erbteilung GmbH (Weilheim), die Erben finanziert, die ihren Erbanteil aus Erbengemeinschaften realisieren wollen. Legal Techs fahren in der Regel Kampagnen, in denen sie eine Vielzahl gleichartige Ansprüche bündeln (Diesel, Flugverspätung, Online-Casinos, Fitnessclubs usw.). Selbige findet man immer über eine Google Suche unter dem entsprechenden Stichwort. Hier lohnt sich ein Konditionenvergleich. Teilweise wird der Anspruch des Klägers selbst finanziert, teilweise auch dessen Anspruch gekauft (RightNow GmbH, Düsseldorf).

4. Schiedsverfahren

Schiedsverfahren sind eine spezielle Materie, in der sich nur wenige Prozessfinanzierer wirklich auskennen und die notwendigen finanziellen Ressourcen haben. Für Deutschland/Europa sind hier beispielhaft Omni Bridgeway (Köln), für den Rest der Welt neben gleichfalls Omni Bridgeway ferner Burford Capital (London/Zürich) sowie Habour Litigation Funding (London) zu nennen.

Alternativ können Sie mich jederzeit kontaktieren, ich helfe gerne bei der Auswahl des geeigneten Prozessfinanzieres.

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Intro: Grundlegendes zum Anspruch

Bald gibt es Prozessfinanzierung in Deutschland ein Vierteljahrhundert.

Was ist aus der ursprünglichen Idee, Jedermann Zugang zum Recht zu ermöglichen, geworden? Wo steht die Prozessfinanzierung heute? Hat sie ihren Zenit schon überschritten oder verwandelt sie gerade Rechtsansprüche in großem Stil zu einem handelbaren Finanzprodukt?

Diese und andere spannenden Fragen möchte ich in diesem Blog beantworten. Aber auch rein praktische Fragen: wie finde ich den richtigen Finanzierer oder eignet sich mein Anspruch – der Anspruch meines Mandanten – überhaupt zur Prozessfinanzierung?

Fangen wir mit dieser wichtigen Frage an: welche Ansprüche eignen sich für eine Prozessfinanzierung?

Der Einstieg zur Antwort ist zunächst einfach: es muss sich um einen Zahlungsanspruch mit einem gewissen Wert handeln, dessen gerichtliche Durchsetzung überwiegend erfolgreich erscheint und der im Obsiegensfall durch den Schuldner bedient, d.h. bezahlt werden kann.

(A) Zahlungsanspruch:

Hier ist zwischen Einzel- und Massenansprüchen zu unterscheiden. Galt für einen Einzelanspruch noch bis vor ein paar Jahren ein Mindestwert von EUR 100.000, so ist das heute nicht mehr der Fall. Ansprüche im unteren hunderttausender Bereich finden nur noch selten einen Finanzierer. Diese suchen Ansprüche mit Millionenwert, damit sich Aufwand und Ertrag lohnen.

Anders bei Massenansprüchen. Hier reichen ein paar Monatsbeiträge des Fitnessclubs, sofern sie sich mit einer großen Vielzahl möglichst gleichartiger Ansprüche zu einer großen Anspruchssumme bündeln lassen.

(B) Überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit:

Ein Kriterium, das von Finanzierer zu Finanzierer (wie auch von Anwalt zu Anwalt) unterschiedlich beurteilt wird. 51% zu 49% sind sicherlich nicht ausreichend. Kommt man unter Einbeziehung vieler Kriterien (dazu in einem späteren Beitrag) zu einer Erfolgswahrscheinlichkeit von mehr als zwei Drittel, kann es für einen Prozessfinanzierer interessant werden. Wichtig zu wissen ist, dass es hier weniger um 100% gewinnen oder verlieren geht, sondern um die Frage, welcher Anteil des erhobenen Anspruchs sich im Ergebnis realisieren lässt. Unter Finanzgesichtspunkten sollte der realistisch erzielbare Anteil das zehnfache der wahrscheinlichen Kosten betragen oder anders gesagt, dass 3 bis 4-fache des Invests des Prozessfinanzierers als dessen Return erbringen können. Zu diesen Kalkulationen auch in einem späteren Blockbeitrag mehr.

(C) Bonität des Schuldners:

Vor Gericht siegen macht nur Spaß, wenn man anschließend auch den Gewinn bekommt. Nicht immer ist am Ende beim Beklagten noch etwas vorhanden oder ist am Anfang klar, wieviel überhaupt zur Verfügung steht, einen Urteilstitel zu bedienen. Siehe den Fall Wirecard: die dort erhobenen Ansprüche übersteigen das noch vorhandene Kapital in der Insolvenz und die Absicherung durch die Haftpflicht- und D&O Versicherungen bei weitem. Trotzdem scheint so viel da zu sein, dass sich Klagen lohnen und diese auch prozessfinanziert werden.

Man wird sehen…

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Richtlinienvorschlag des EU-Parlaments zur Prozessfinanzierung

Am 13. September 2022 hat das EU-Parlament einen Richtlinienvorschlag zur „verantwortungsbewussten privaten Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten“ gemacht. Das war abzusehen und kommt in der Sache, wie vom Inhalt her nicht überraschend.

Schon wird von einigen das Ende der gewerblichen Prozessfinanzierung befürchtet (vgl. Kolba, Presseaussendung 16.09.22). Dem muss aber nicht so sein.

Was verlangt das Parlament eigentlich genau? Im wesentlichen drei Dinge:

1. Regulierung und Überwachung von Prozessfinanzierern

Nachdem es die Branche über Jahre versäumt hat, sich in der EU zu organisieren und selbst zu regulieren, ist es folgerichtig, dass sich mit zunehmendem Maße der Finanzierungen der Gesetzgeber veranlasst sieht, Maßnahmen zu ergreifen.

Gefordert wird eine unionseinheitliche Regelung, was absolut Sinn ergibt, denn viele Verfahren sind heute grenzüberschreitend und/oder haben mehrere Gerichtsstände. Mindestkapital, Sitz in der Union, Ombudsmannstelle für Beschwerden von Verbrauchern.

2. Obergrenze für Erfolgsbeteiligung

Zentraler Aspekt einer Regulierung musste natürlich der Wunsch einer Obergrenze für die Beteiligung des Finanzierers werden.

Gefordert wird, dass dem Anspruchsinhaber mindestens 60 % verbleiben sollen. Zunächst unproblematisch, da in Europa ohnehin selten mehr als 40 % Erfolgsbeteiligung verlangt wird. Problematisch allerdings, dass zu diesem Zweck im Finanziereranteil „alle Schadensersatzbeträge, Kosten, Gebühren und sonstige Auslagen“ enthalten sein sollen. Dies ist unfair und unnötig. Der Finanzierer wird als Kostenträger genau darauf achten, selbige im Griff zu halten. Sofern diese den ursprünglich kalkulierten Rahmen überschreiten, liegt dies am Verfahrensverlauf und nicht selten daran, dass der Beklagte – was sein gutes Recht ist – Rechtsmittel einlegt. Es muss also dabeibleiben, dass Verfahrenskosten zunächst immer aus einem Verfahrenserlös bedient werden, auch wenn das dazu führt, dass am Ende nicht viel übrigbleibt. Dieses Schicksal tragen Finanzierer und Kläger dann gemeinsam.

Anderes könnte dann gelten, wenn die mandatierten Anwälte am Prozessfinanzierer beteiligt sind, doch dürfte ein Missbrauch durch überhöhte Gebühren zumindest in Europa (ohne UK!) die Ausnahme sein.

Ein fairer Kompromiss wäre, die Obergrenze auf 50% zu setzen, nach Ausgleich aller Verfahrenskosten. Dies entspräche im Übrigen der heutigen weitgehend gelebten Praxis.

Problematisch ist allerdings, dass dem Finanzierer nicht gestattet werden soll, „finanzierte Parteien (…) zu irgendeinem Zeitpunkt im Stich zu lassen“. Das klingt nach „Gefahrengemeinschaft“, doch eine solche ist es nur bedingt. Der Finanzierer ist ein Investor, der Geld verdienen und nicht versenken will, und das ist auch gut so. Damit ist nämlich gewährleistet, dass nicht mehr erfolgversprechende Verfahren auch beendet werden.

3. Offenlegung und Transparenz

Offenlegung der Prozessfinanzierung? Warum nicht? Nach mehr als 23 Jahren ist die gewerbliche Prozessfinanzierung ein anerkanntes und vielfach genutztes Instrument und muss sich nicht mehr verstecken. In einem Großteil der Verfahren wird schon heute offengelegt und in Verbrauchersachen, idR Sammelklagen, geschieht dies im Rahmen des Bookbuildings sowieso.

Gefordert wird, die Nennung des finanzierenden Unternehmens sowie die Offenlegung des Finanzierungsvertrags. Unproblematisch, solange die Finanzierungskonditionen und Verabredungen zur Prozessführung und Durchsetzung des Anspruchs geheim bleiben. Alles andere wäre ein Verstoß gegen den Fair Trial, da der Beklagte das Wissen um den finanziellen Rahmen und die Vorgehensweise für seine Strategie nutzen könnte.

Fazit:

Die Regulierung der Prozessfinanzierung wird kommen und sie kann – in vernünftiger Form – der Branche sogar zu weiterem Wachstum verhelfen, wenn folgende Eckpunkte beachtet werden:

  • Ein unionseinheitliches Rahmenwerk in Abstimmung mit der Richtlinie EU 2020/1828 (Verbandsklagen RL)
  • keine Überregulierung, Einigung auf angemessene Mindeststandards
  • eine Kappungsgrenze für die Erfolgsbeteiligung bei max. 50 % des verbleibenden Erlöses nach Kosten und nicht darüber
  • Bewahrung der unternehmerischen Freiheit des Finanzierers, jederzeit aus einem Verfahren auszusteigen, sofern er den Kläger von allen Kosten bis zu diesem Zeitpunkt bzw. bis zur umgehenden Beendigung freistellt.

Ziel der Branche sollte jetzt sein, eine Regulierung zu nutzen, zukünftig auch Verbraucherverbände im Sinne der Verbandsklagen Richtlinie ohne Einschränkungen finanzieren zu dürfen. Dann wäre allen geholfen:

Einem besseren Verbraucherschutz, einer effektiven Rechtsdurchsetzung und einer Branche, die sich seit jeher auf die Fahnen geschrieben hat, jedermann Zugang zum Recht zu gewähren.