Bald gibt es Prozessfinanzierung in Deutschland ein Vierteljahrhundert.

Was ist aus der ursprünglichen Idee, Jedermann Zugang zum Recht zu ermöglichen, geworden? Wo steht die Prozessfinanzierung heute? Hat sie ihren Zenit schon überschritten oder verwandelt sie gerade Rechtsansprüche in großem Stil zu einem handelbaren Finanzprodukt?

Diese und andere spannenden Fragen möchte ich in diesem Blog beantworten. Aber auch rein praktische Fragen: wie finde ich den richtigen Finanzierer oder eignet sich mein Anspruch – der Anspruch meines Mandanten – überhaupt zur Prozessfinanzierung?

Fangen wir mit dieser wichtigen Frage an: welche Ansprüche eignen sich für eine Prozessfinanzierung?

Der Einstieg zur Antwort ist zunächst einfach: es muss sich um einen Zahlungsanspruch mit einem gewissen Wert handeln, dessen gerichtliche Durchsetzung überwiegend erfolgreich erscheint und der im Obsiegensfall durch den Schuldner bedient, d.h. bezahlt werden kann.

(A) Zahlungsanspruch:

Hier ist zwischen Einzel- und Massenansprüchen zu unterscheiden. Galt für einen Einzelanspruch noch bis vor ein paar Jahren ein Mindestwert von EUR 100.000, so ist das heute nicht mehr der Fall. Ansprüche im unteren hunderttausender Bereich finden nur noch selten einen Finanzierer. Diese suchen Ansprüche mit Millionenwert, damit sich Aufwand und Ertrag lohnen.

Anders bei Massenansprüchen. Hier reichen ein paar Monatsbeiträge des Fitnessclubs, sofern sie sich mit einer großen Vielzahl möglichst gleichartiger Ansprüche zu einer großen Anspruchssumme bündeln lassen.

(B) Überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit:

Ein Kriterium, das von Finanzierer zu Finanzierer (wie auch von Anwalt zu Anwalt) unterschiedlich beurteilt wird. 51% zu 49% sind sicherlich nicht ausreichend. Kommt man unter Einbeziehung vieler Kriterien (dazu in einem späteren Beitrag) zu einer Erfolgswahrscheinlichkeit von mehr als zwei Drittel, kann es für einen Prozessfinanzierer interessant werden. Wichtig zu wissen ist, dass es hier weniger um 100% gewinnen oder verlieren geht, sondern um die Frage, welcher Anteil des erhobenen Anspruchs sich im Ergebnis realisieren lässt. Unter Finanzgesichtspunkten sollte der realistisch erzielbare Anteil das zehnfache der wahrscheinlichen Kosten betragen oder anders gesagt, dass 3 bis 4-fache des Invests des Prozessfinanzierers als dessen Return erbringen können. Zu diesen Kalkulationen auch in einem späteren Blockbeitrag mehr.

(C) Bonität des Schuldners:

Vor Gericht siegen macht nur Spaß, wenn man anschließend auch den Gewinn bekommt. Nicht immer ist am Ende beim Beklagten noch etwas vorhanden oder ist am Anfang klar, wieviel überhaupt zur Verfügung steht, einen Urteilstitel zu bedienen. Siehe den Fall Wirecard: die dort erhobenen Ansprüche übersteigen das noch vorhandene Kapital in der Insolvenz und die Absicherung durch die Haftpflicht- und D&O Versicherungen bei weitem. Trotzdem scheint so viel da zu sein, dass sich Klagen lohnen und diese auch prozessfinanziert werden.

Man wird sehen…