Am 13. September 2022 hat das EU-Parlament einen Richtlinienvorschlag zur „verantwortungsbewussten privaten Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten“ gemacht. Das war abzusehen und kommt in der Sache, wie vom Inhalt her nicht überraschend.
Schon wird von einigen das Ende der gewerblichen Prozessfinanzierung befürchtet (vgl. Kolba, Presseaussendung 16.09.22). Dem muss aber nicht so sein.
Was verlangt das Parlament eigentlich genau? Im wesentlichen drei Dinge:
1. Regulierung und Überwachung von Prozessfinanzierern
Nachdem es die Branche über Jahre versäumt hat, sich in der EU zu organisieren und selbst zu regulieren, ist es folgerichtig, dass sich mit zunehmendem Maße der Finanzierungen der Gesetzgeber veranlasst sieht, Maßnahmen zu ergreifen.
Gefordert wird eine unionseinheitliche Regelung, was absolut Sinn ergibt, denn viele Verfahren sind heute grenzüberschreitend und/oder haben mehrere Gerichtsstände. Mindestkapital, Sitz in der Union, Ombudsmannstelle für Beschwerden von Verbrauchern.
2. Obergrenze für Erfolgsbeteiligung
Zentraler Aspekt einer Regulierung musste natürlich der Wunsch einer Obergrenze für die Beteiligung des Finanzierers werden.
Gefordert wird, dass dem Anspruchsinhaber mindestens 60 % verbleiben sollen. Zunächst unproblematisch, da in Europa ohnehin selten mehr als 40 % Erfolgsbeteiligung verlangt wird. Problematisch allerdings, dass zu diesem Zweck im Finanziereranteil „alle Schadensersatzbeträge, Kosten, Gebühren und sonstige Auslagen“ enthalten sein sollen. Dies ist unfair und unnötig. Der Finanzierer wird als Kostenträger genau darauf achten, selbige im Griff zu halten. Sofern diese den ursprünglich kalkulierten Rahmen überschreiten, liegt dies am Verfahrensverlauf und nicht selten daran, dass der Beklagte – was sein gutes Recht ist – Rechtsmittel einlegt. Es muss also dabeibleiben, dass Verfahrenskosten zunächst immer aus einem Verfahrenserlös bedient werden, auch wenn das dazu führt, dass am Ende nicht viel übrigbleibt. Dieses Schicksal tragen Finanzierer und Kläger dann gemeinsam.
Anderes könnte dann gelten, wenn die mandatierten Anwälte am Prozessfinanzierer beteiligt sind, doch dürfte ein Missbrauch durch überhöhte Gebühren zumindest in Europa (ohne UK!) die Ausnahme sein.
Ein fairer Kompromiss wäre, die Obergrenze auf 50% zu setzen, nach Ausgleich aller Verfahrenskosten. Dies entspräche im Übrigen der heutigen weitgehend gelebten Praxis.
Problematisch ist allerdings, dass dem Finanzierer nicht gestattet werden soll, „finanzierte Parteien (…) zu irgendeinem Zeitpunkt im Stich zu lassen“. Das klingt nach „Gefahrengemeinschaft“, doch eine solche ist es nur bedingt. Der Finanzierer ist ein Investor, der Geld verdienen und nicht versenken will, und das ist auch gut so. Damit ist nämlich gewährleistet, dass nicht mehr erfolgversprechende Verfahren auch beendet werden.
3. Offenlegung und Transparenz
Offenlegung der Prozessfinanzierung? Warum nicht? Nach mehr als 23 Jahren ist die gewerbliche Prozessfinanzierung ein anerkanntes und vielfach genutztes Instrument und muss sich nicht mehr verstecken. In einem Großteil der Verfahren wird schon heute offengelegt und in Verbrauchersachen, idR Sammelklagen, geschieht dies im Rahmen des Bookbuildings sowieso.
Gefordert wird, die Nennung des finanzierenden Unternehmens sowie die Offenlegung des Finanzierungsvertrags. Unproblematisch, solange die Finanzierungskonditionen und Verabredungen zur Prozessführung und Durchsetzung des Anspruchs geheim bleiben. Alles andere wäre ein Verstoß gegen den Fair Trial, da der Beklagte das Wissen um den finanziellen Rahmen und die Vorgehensweise für seine Strategie nutzen könnte.
Fazit:
Die Regulierung der Prozessfinanzierung wird kommen und sie kann – in vernünftiger Form – der Branche sogar zu weiterem Wachstum verhelfen, wenn folgende Eckpunkte beachtet werden:
- Ein unionseinheitliches Rahmenwerk in Abstimmung mit der Richtlinie EU 2020/1828 (Verbandsklagen RL)
- keine Überregulierung, Einigung auf angemessene Mindeststandards
- eine Kappungsgrenze für die Erfolgsbeteiligung bei max. 50 % des verbleibenden Erlöses nach Kosten und nicht darüber
- Bewahrung der unternehmerischen Freiheit des Finanzierers, jederzeit aus einem Verfahren auszusteigen, sofern er den Kläger von allen Kosten bis zu diesem Zeitpunkt bzw. bis zur umgehenden Beendigung freistellt.
Ziel der Branche sollte jetzt sein, eine Regulierung zu nutzen, zukünftig auch Verbraucherverbände im Sinne der Verbandsklagen Richtlinie ohne Einschränkungen finanzieren zu dürfen. Dann wäre allen geholfen:
Einem besseren Verbraucherschutz, einer effektiven Rechtsdurchsetzung und einer Branche, die sich seit jeher auf die Fahnen geschrieben hat, jedermann Zugang zum Recht zu gewähren.